Wenn Stille nicht still ist – über das Phänomen von Infraschall und Ultraschall

Es beginnt oft harmlos. Ein kaum wahrnehmbares Brummen, ein feines Pfeifen irgendwo im Raum, ein leises Zittern in der Luft. Viele Menschen nehmen solche Geräusche zunächst nicht ernst. Andere spüren sie sofort – als Druckgefühl im Kopf, als Nervosität, als Vibration in der Brust. Doch wenn man dem Ursprung auf den Grund geht, scheint nichts zu existieren. Kein Motor läuft, keine Musik erklingt, keine Leitung summt – und trotzdem ist etwas da.

Genau hier beginnt das Gebiet, in dem Physik und Wahrnehmung ineinander übergehen. Schall ist mehr als das, was wir mit dem Ohr hören. Er besteht aus Schwingungen, die sich als Druckwellen in der Luft ausbreiten. Das menschliche Gehör nimmt nur einen kleinen Ausschnitt davon wahr: etwa von zwanzig bis zwanzigtausend Schwingungen pro Sekunde – also 20 Hz bis 20 kHz. Unterhalb dieses Bereichs spricht man von Infraschall (etwa 1 Hz bis 20 Hz), oberhalb von Ultraschall (über 20 kHz). Beide sind unsichtbar, und doch wirken sie auf den Körper.

Die stille Kraft des Infraschalls

Infraschall begegnet uns überall dort, wo grosse Massen oder Volumen in Bewegung sind. Er entsteht bei Windturbinen, Lüftungen, Wärmepumpen, aber auch bei Motoren, Zügen oder grossen Gebäudestrukturen, die in Resonanz geraten. Die Frequenzen sind tief – meist unter 20 Hz – und die Wellenlängen lang, oft mehrere Dutzend Meter. Dadurch durchdringt Infraschall Wände und Fenster fast ungehindert und kann sich in Räumen überlagern oder verstärken.

Das Erstaunliche: Man hört ihn kaum. Doch der Körper reagiert. Viele Menschen beschreiben ein dumpfes Dröhnen, ein inneres Vibrieren, manchmal verbunden mit Druck auf den Ohren oder einem Gefühl von Beklemmung. Die Wissenschaft kennt für solche Reaktionen plausible Erklärungen. Tieffrequente Schwingungen können über das Gleichgewichtsorgan oder über Resonanzvorgänge im Körper wahrgenommen werden. Auch wenn die Forschung hier noch nicht alle Zusammenhänge kennt, zeigen zahlreiche Untersuchungen physiologische Reaktionen – etwa Veränderungen von Herzfrequenz, Blutdruck oder Hormonhaushalt.

Wirkungen entstehen dabei nicht durch klassische Lautstärke oder Schalldruck wie bei Lärm, sondern durch neurophysiologische Reize, Modulationen und Resonanzen, auf die das vegetative Nervensystem empfindlich reagieren kann.

Manche Menschen reagieren empfindlicher als andere. Das hängt von der individuellen Wahrnehmung, vom Raum und von der Frequenz ab. Besonders heikel sind Fälle, in denen Infraschall mit der Eigenfrequenz eines Raums oder eines Bauteils zusammentrifft. Dann kann sich die Schwingung aufschaukeln, sodass selbst geringe Anregungen zu einem fühlbaren Dröhnen führen.

Ultraschall – die hohen, unsichtbaren Pfeiftöne

Das andere Ende des Spektrums, der Ultraschall, ist mindestens ebenso faszinierend – und in unserem Alltag längst allgegenwärtig. Viele elektronische Geräte erzeugen hochfrequente Schwingungen, ohne dass es beabsichtigt ist. Netzteile, Ladegeräte, LED-Beleuchtungen, Wechselrichter von PV-Anlagen, E-Ladestationen, Bewegungsmelder, aber auch kleine Undichtigkeiten von Wasser- oder Gasleitungen können Pfeiftöne oder modulierte Ultraschallsignale erzeugen, die für manche Menschen noch hörbar oder körperlich spürbar sind.

Vor allem jüngere oder sehr empfindliche Personen nehmen diese Frequenzen bis über 20 kHz hinaus wahr. Sie beschreiben sie als scharfe, nervöse Töne, die besonders in der Nacht auffallen. Oft reflektiert der Ultraschall an Wänden oder Möbeln, sodass die Quelle kaum zu lokalisieren ist – was die Situation für Betroffene zusätzlich belastet.

Auch hier sind die gesundheitlichen Wirkungen noch nicht vollständig erforscht – wie in vielen technischen Bereichen, in denen die Wissenschaft mit Scheuklappen oder vorgefassten Meinungen an das Thema herangeht. Doch es mehren sich Hinweise auf Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Ohrdruck oder Tinnitus-ähnliche Empfindungen. Entscheidend ist dabei weniger die Lautstärke als die Modulation: Ein schwankendes oder pulsierendes Signal wird deutlich stärker wahrgenommen als ein gleichmässiger Ton.

Warum herkömmliche Bewertungsmethoden versagen

Ein zentrales Problem besteht darin, dass Infraschall und Ultraschall mit herkömmlichen Messverfahren oft gar nicht richtig erfasst werden.
Die meisten amtlichen Bewertungen basieren noch immer auf der sogenannten A-Bewertung (dB(A)) – einem Frequenzfilter, das die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres im mittleren Bereich nachbildet.

Was viele nicht wissen: Dieses Verfahren blendet tiefe und hohe Frequenzen weitgehend aus. Frequenzen unter 100 Hz und über 10 kHz werden bei der A-Bewertung um bis zu 50 dB abgeschwächt. Damit erscheinen Infraschall und Ultraschall in Messprotokollen praktisch „nicht vorhanden“ – obwohl sie physikalisch sehr wohl messbar sind und auf den Körper wirken können.

Die Folge: Behörden oder Gutachter verweisen auf „zulässige Werte“, obwohl diese Bewertung für den relevanten Frequenzbereich gar nicht geeignet ist. In der Fachwelt ist dieses Problem längst bekannt, doch die Praxis hinkt hinterher. Erst wenn man mit breitbandigen, unbewerteten oder C- bzw. Z-bewerteten Messungen arbeitet, werden die tatsächlichen Signale sichtbar.

Zwischen Gefühl und Technik

Das Faszinierende an diesen Phänomenen ist, dass sie im Grenzbereich zwischen Physik und Wahrnehmung liegen. Zwei Menschen im selben Raum können völlig Unterschiedliches erleben: Der eine hört oder spürt etwas, der andere gar nichts. Das liegt nicht an Einbildung, sondern an Biologie. Das Hörvermögen verändert sich mit Alter, Belastung und individueller Sensibilität. Manche Schwingungen sind schlicht spürbar, nicht hörbar – der Körper nimmt sie über Druckrezeptoren, Haut und Knochen wahr.

Für Betroffene ist das oft eine zermürbende Situation. Sie suchen nach einer Ursache, werden aber selten ernst genommen. Genau hier hilft eine objektive Messung. Sie macht das Unsichtbare sichtbar – zeigt, welche Frequenzen tatsächlich vorhanden sind, und ermöglicht eine gezielte Suche nach der Quelle.

Wissenschaft, Medizin und die Grenzen ihrer Wahrnehmung

In der klassischen Medizin und in vielen wissenschaftlichen Disziplinen wird Schall noch immer fast ausschliesslich nach hörbaren oder schädigenden Schalldruckwerten beurteilt. Alles, was unterhalb oder oberhalb dieses Bereichs liegt, wird meist als „nicht relevant“ oder „nicht wahrnehmbar“ eingestuft.

Doch genau hier liegt das Problem: Der menschliche Körper reagiert nicht nur auf Lautstärke, sondern auch auf Frequenzen, Modulationen und Resonanzen. Das heisst: Auch wenn ein Signal physikalisch leise ist, kann es physiologisch deutlich spürbar sein – insbesondere, wenn es rhythmisch oder gepulst auftritt.

Viele Studien blenden diese feinen Wahrnehmungsebenen aus, weil ihre Messmethoden zu grob oder zu eng gefasst sind. So bleibt ein grosser Teil realer, von Menschen beschriebener Effekte unerklärt. Das bedeutet nicht, dass diese Phänomene „nicht existieren“, sondern oft nur, dass sie mit ungeeigneten Methoden untersucht werden.

Gerade hier setzt die elektrobiologische und akustische Feldarbeit an: durch breitbandige, hochauflösende Messungen, die zeigen, was wirklich im Raum vorhanden ist – auch ausserhalb der engen Grenzen klassischer Hörtests oder Lärmrichtwerte.

Wie man Schall sichtbar macht

Eine fachgerechte Messung im Bereich von Infraschall und Ultraschall ist komplexer, als es zunächst scheint. Es ist ein Randgebiet, das von vielen Akustikfirmen gar nicht abgedeckt wird. Die meisten handelsüblichen Mikrofone oder Apps sind auf den Sprachbereich beschränkt und zeigen tiefe oder hohe Frequenzen gar nicht an.

In meiner Arbeit verwende ich präzise, teils kalibrierte Mikrofone und Körperschallsensoren, die Signale von 1 Hz bis 30 kHz, in Spezialfällen auch bis 130 kHz, erfassen können. So lassen sich auch sehr schwache oder modulierte Schwingungen sichtbar machen.

Die Auswertung erfolgt dabei grafisch, meist als Frequenzspektrum oder Zeitverlauf, sodass man die auftretenden Schwingungen und ihre Intensität klar erkennen kann.
Infraschall wird dabei breitbandig über den gesamten Frequenzbereich analysiert – nicht mit A-bewerteten Pegeln, die solche tiefen Schwingungen gar nicht korrekt erfassen.

In der grafischen Darstellung zeigt sich oft ein eindeutiger Zusammenhang: Das Brummen entspricht exakt der Taktfrequenz einer Wärmepumpe, das Pfeifen stammt von einem elektronischen Netzteil oder das rhythmische Zittern von einem defekten Lüftermotor. Die Spektren zeigen, wann und in welchem Frequenzbereich Energie auftritt – so wird das Unsichtbare buchstäblich sichtbar.

Schritt für Schritt lässt sich die Ursache eingrenzen – manchmal wie bei einer kriminalistischen Spurensuche. Ist die Quelle gefunden, helfen meist einfache Massnahmen: Entkopplung von Geräten, Austausch defekter Netzteile, Abschirmung gegen Körperschall oder eine angepasste Installation. Entscheidend ist, den Zusammenhang zu verstehen – denn nur so lässt sich das Problem dauerhaft lösen.

Wenn Klarheit entsteht

Für viele Menschen ist der Moment der Messung ein Wendepunkt. Plötzlich sieht man auf dem Bildschirm die Frequenzen, die man bisher nur gefühlt hat. Aus dem Unbekannten wird etwas Konkretes. Diese Klarheit ist oft genauso wichtig wie die technische Lösung, weil sie das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung wiederherstellt.

Am Ende geht es immer um beides: Verstehen und Entlasten. Verstehen, was da ist – und Entlasten, indem man gezielt Massnahmen ergreift, um die Belastung zu verringern.


Quellen und weiterführende Literatur


 

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