Original News von: diagnose-funk.org
k.o. für die Mobilfunkpolitik von BfS und ICNIRP
Oxidativer Zellstress, das ist die Ursache vieler entzündlicher Erkrankungen, bis hin zur Auslösung von Krebs [1]. Dieser Wirkmechanismus ist derweil Standardwissen in der Medizin. Dazu gibt es hunderte Einzelstudien und Reviews. Im April 2020, als es angesichts von Corona darum ging, ob Mobilfunkstrahlung das Immunsystem schwächt, haben wir die Rolle von oxidativem Zellstress in einem Homepageartikel mit einer umfangreichen Literaturrecherche dokumentiert (Artikel vom 15.04.2020: www.diagnose-funk.org/1550). Die Studie von Yakymenko (2016) ist darin ein entscheidendes Dokument. Nun der Paukenschlag. BERENIS, die Expertengruppe der Schweizer Regierung kündigte ihn in ihrem Newsletter im Januar 2021 bereits an.
Der neue Review von Schuermann / Mevissen, veröffentlicht am 06.04.2021, finanziert vom Schweizer Umweltbundesamt, publiziert im “International Journal of Molecular Science”, schafft Klarheit durch die umfassende Aufarbeitung der vorliegenden Literatur:
“Die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), die möglicherweise zu zellulärem oder systemischem oxidativem Stress führen kann, wurde häufig durch EMF-Exposition in Tieren und Zellen beeinflusst. In dieser Übersicht fassen wir die wichtigsten experimentellen Ergebnisse zu oxidativem Stress im Zusammenhang mit EMF-Exposition aus Tier- und Zellstudien des letzten Jahrzehnts zusammen. Die Beobachtungen werden im Kontext der molekularen Mechanismen und gesundheitsrelevanten Funktionen wie neurologische Funktion, Genomstabilität Immunantwort und Reproduktion diskutiert. Die meisten Tier- und viele Zellstudien zeigten erhöhten oxidativen Stress, verursacht durch RF-EMF und ELF-MF.”
Damit können sich die ICNIRP und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ihre Energiethese endgültig an den Nagel hängen. Im Fazit ihrer Studie, nach der Auswertung von 223 Arbeiten, schlussfolgern die Autoren u.a.:
- “Zusammenfassend wurden in der Mehrzahl der Tierstudien Hinweise auf erhöhten oxidativen Stress durch RF-EMF und ELFMF und in mehr als der Hälfte der Zellstudien berichtet.
- Untersuchungen an Wistar- und Sprague-Dawley-Ratten lieferten konsistente Hinweise (consistent evidence) auf oxidativen Stress nach HF-EMF-Exposition im Gehirn und in den Hoden sowie einige Hinweise auf oxidativen Stress im Herzen.
- Beobachtungen an Sprague-Dawley-Ratten scheinen auch ebenfalls konsistente Hinweise (consistent evidence) für oxidativen Stress in der Leber und den Nieren zu liefern.
- Bei Mäusen, wurde oxidativer Stress, induziert durch RF-EMF, vor allem im Gehirn und in den Hoden, sowie in Leber, Nieren und Eierstöcken nachgewiesen.
- Diese Beobachtungen wurden gemacht mit einer Vielzahl von Zelltypen, Expositionszeiten und Dosen (SAR oder Feldstärken) innerhalb der Bereiche der gesetzlichen Grenzwerte und Empfehlungen.
- Sicherlich haben einige Studien methodische Unsicherheiten oder Schwächen oder sind nicht sehr umfassend hinsichtlich Expositionszeit, Dosis, Anzahl und quantitative Analyse der verwendeten Biomarker, um nur einige um nur einige zu nennen. Es zeichnet sich ein Trend ab, der auch unter Berücksichtigung dieser methodischen Schwächen deutlich wird, nämlich, dass EMF-Exposition, selbst im niedrigen Dosisbereich, durchaus zu Veränderungen im zellulären oxidativen Gleichgewicht führen kann.
- Ungünstige Bedingungen, wie Krankheiten (Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen), beeinträchtigen die Abwehrmechanismen des Körpers, einschließlich der antioxidativen Schutzmechanismen, und Personen mit solchen Vorerkrankungen sind eher anfällig für gesundheitliche Auswirkungen”(S.23).
Die Nachweise durch In-Vivo, In-Vitro und epidemiologische Studien über die Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlung, dokumentiert in über 90 Reviews, ergaben schon ein klares Bild der Forschungslage. Dieser neue Review von Schuermann/Mevissen legt nun auch klar: Der Wirkmechanismus, d.h. die Zellkaskaden, wie elektromagnetische Felder zu pathologischen Veränderungen führen, ist nachgewiesen. Damit ist das Kausalitätskriterium erfüllt. Das erfordert nicht nur die Anwendung des Vorsorgeprinzips, sondern eine Gefahrenabwehr. Das bedeutet z.B.: WLAN an Schulen muss verboten werden, ebenso in Krankenhäusern. Eine Politik der Strahlenminimierung, auch für Mobilfunksendeanlagen, ist erforderlich, die Einführung von 5G ohne Technikfolgenabschätzung ist unverantwortlich. Die Kommunen müssen sich dagegen wehren.
Schuermann, D.; Mevissen, M. Manmade Electromagnetic Fields and Oxidative Stress—Biological Effects and Consequences for Health. Int. J. Mol. Sci. 2021, 22, 3772. https://doi.org/10.3390/ijms22073772
Download des Volltextes: https://www.mdpi.com/1422-0067/22/7/3772
Zusammenfassung im BERENIS-Newsletter (Januar 2021) zur Studie von Schuermann/Mevissen:
“Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Mehrzahl der Tierstudien und mehr als die Hälfte der Zellstudien Hinweise auf vermehrten oxidativen Stress durch HF-EMF und NF-MF gibt. Dies beruht auf Beobachtungen bei einer Vielzahl von Zelltypen, Expositionszeiten und Dosierungen (SAR oder Feldstärken), auch im Bereich der Anlagegrenzwerte. Gewiss sind einige Studien mit methodischen Unsicherheiten bzw. Schwächen behaftet oder sind wenig umfassend betreffend Expositionszeit, Dosis, Anzahl und quantitativer Analyse der verwendeten Biomarker, um nur einige zu nennen. Es zeichnet sich aber ein Trend ab, der auch unter Berücksichtigung dieser methodischen Schwächen deutlich wird, nämlich, dass EMF-Exposition, sogar im niedrigen Dosisbereich, durchaus zu Veränderungen des oxidativen Gleichgewichtes führen kann. Organismen und Zellen sind in der Lage auf oxidativen Stress zu reagieren und auch nach Befeldung war in vielen Studien eine Adaptation nach einer Erholungsphase zu sehen. Vorschädigungen, wie Immunschwächen oder Erkrankungen (Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen), kompromittieren die Abwehrmechanismen inklusive der antioxidativen Schutzmechanismen des Organismus und es ist daher zu erwarten, dass bei Individuen mit solchen Vorschädigungen vermehrt Gesundheitseffekte auftreten. Zudem zeigen die Studien, dass sehr junge oder auch alte Individuen weniger effizient auf oxidativen Stress reagieren können, was selbstverständlich auch für andere Stressoren gilt, die oxidativen Stress hervorrufen. Weiterführende Untersuchungen unter standardisierten Bedingungen sind aber notwendig, um diese Phänomene und Beobachtungen besser zu verstehen und zu bestätigen.”
Auszüge aus der Studie
Zusammenfassung: Mit der zunehmenden Nutzung von Elektrogeräten und mobilen Kommunikationssystemen Systemen ist die öffentliche und berufliche Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) im extrem nieder- und hochfrequenten und Hochfrequenzbereich zu einem viel diskutierten Umweltrisikofaktor für die Gesundheit geworden. Hochfrequente (RF) EMF und extrem-niederfrequente (ELF) MF wurden als möglicherweise krebserregend für den Menschen (Gruppe 2B) von der International Agency for Research on Cancer (IARC) eingestuft. Die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), die möglicherweise zu zellulärem oder systemischem oxidativem Stress führen kann, wurde häufig durch EMF-Exposition in Tieren und Zellen beeinflusst. In dieser Übersicht fassen wir die wichtigsten experimentellen Ergebnisse zu oxidativem Stress im Zusammenhang mit EMF-Exposition aus Tier- und Zellstudien des letzten Jahrzehnts zusammen. Die Beobachtungen werden im Kontext der molekularen Mechanismen und gesundheitsrelevanten Funktionen wie neurologische Funktion, Genomstabilität Immunantwort und Reproduktion diskutiert. Die meisten Tier- und viele Zellstudien zeigten erhöhten oxidativen Stress, verursacht durch RF-EMF und ELF-MF. Um das Risiko für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Exposition abzuschätzen, müssen auch experimentelle Studien am Menschen und epidemiologische Studien berücksichtigt werden.
1. Einleitung
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS), sowie verwandte reaktive Stickstoffspezies (RNS), sind an vielen biologischen Prozessen beteiligt; dennoch stellen sie eine Gefahr für das biologische Material und die Physiologie von Zellen dar [1-3]. Schutzmechanismen, wie Antioxidantien und antioxidative Enzyme, halten physiologische Konzentrationen von ROS in Zellen aufrecht, während externe und interne Stimuli die Menge an ROS beeinflussen, indem sie die Aktivität der beteiligten ROS-bildenden und -abbauenden Enzymen verändern [4]. Zum Beispiel führt ein erhöhter Energiebedarf bei körperlicher Aktivität zu einem temporären Zustand von oxidativem Stress, und viele Umweltrisikofaktoren wie ionisierende Strahlung im ultravioletten (UV) Licht oder im Radioaktivitäts-Spektrum wirken teilweise über die Bildung von ROS. Pathophysiologische Werte von ROS stören viele lebenswichtige zelluläre Prozesse und Funktionen, wie z. B. Entzündungen, Zellproliferation und -differenzierung, Wundheilung, neuronale Aktivität, Reproduktion und Verhalten, indem sie biochemische und Signalprozesse verändern oder sogar zu oxidativen Schäden an DNA, RNA und Proteinen oder zur Peroxidation von Fettsäuren führen [5,6].
Wenn dieser ungünstige Zustand über einen längeren Zeitraum anhält oder wiederholt auftritt, kann er zu Veränderungen des biologischen Materials sowie der genetischen und epigenetischen Information und zu gesundheitlichen Fehlfunktionen führen. Dementsprechend können veränderte ROS-Spiegel und Veränderungen von Biomarkern von oxidativem Stress als Ursache oder Folge bei vielen Krankheiten beobachtet worden, wie z. B. Krebs, Diabetes, angeborenen Fehlbildungen oder neurodegenerativen Syndromen [1,3].
Der Einfluss von elektromagnetischen Feldern (EMF), als ein vom Menschen geschaffener Umweltfaktor mit zunehmender Bedeutung, auf die ROS-Bildung, die oxidativen Stress auslöst, wurde wiederholt diskutiert. Entsprechende Hypothesen und experimentelle Befunde wurden die in früheren Übersichtsarbeiten zu diesem Thema zusammengefasst und diskutiert [7-16]. Obwohl es konsistente Hinweise / übereinstimmende Nachweise / Beweise (consistent evidence) für EMF-induzierte ROS-Bildung in experimentellen Studien gibt, gibt es noch kein vollständiges Bild und keinen wissenschaftlicher Konsens in Bezug auf epidemiologische Zusammenhänge und mögliche negative und langfristige Folgen für die Gesundheit.
In diesem Review wurden kürzlich veröffentlichte relevante Tier- und Zellstudien identifiziert und mit dem Ziel einer aktualisierten Einschätzung einer Kausalität zwischen oxidativem Stress und der Exposition bei magnetischen und elektromagnetischen Feldern und deren möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit ausgewertet. Der Fokus wurde dabei auf umwelt- und technologierelevante Frequenzbereiche gelegt: extrem niederfrequente Magnetfelder (ELF-MF), typisch für 50/60 Hz Wechselstrom (AC)-Leitungen und hochfrequente elektromagnetische Felder (RF-EMF) im Frequenzbereich von 800 MHz bis 2,5 GHz, wie sie für aktuelle Mobilfunksysteme verwendet werden. Dabei wurden hauptsächlich experimentelle Studien an Tieren und kultivierten und/oder Primärzellen einbezogen, die in der begutachteten Literatur von 2010-2020 veröffentlicht wurden (Ergänzende Materialien, Tabellen S1-S4). Diese Studien lieferten Daten über den Einfluss der Exposition auf die Bildung von ROS, Marker von oxidativem Stress und Veränderungen der Schutzmechanismen, die dem oxidativen Stress entgegenwirken ….
Für diesen narrativen Review wurde eine Teilmenge aus den in den letzten 10 Jahren in englischer Sprache publizierten Tier- und Zellstudien, die als relevant für die Forschungsfrage angesehen wurden, bewertet und einbezogen, um einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu geben. Die eingeschlossenen Studien wurden aus den bei BERENIS verfügbaren Datenbanken extrahiert (https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/topics/electrosmog/newsletter-of-the-swiss-expert-group-on-electromagneticfields-a/beratende-expertengruppe-nis-berenis.html, Zugriff am 10. Juni 2020), EMF Portal(https://www.emf-portal.org, abgerufen am 25. Juni 2020), und PubMed (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov, abgerufen am 30. Juni 2020).
Übersetzung:diagnose:funk. Es gilt der englische Originaltext.
[1] Viele Umweltgifte wirken über Oxidativen Zellstress, der ein genereller Auslöser entzündlicher Erkrankungen bis hin zu Krebs ist. Er entsteht durch eine Überproduktion von Freien Radikalen, ausgelöst z.B. durch Zigarettenrauch, Strahlenbelastung (z.B. Höhenstrahlung), Autoabgase, Ozon, Pflanzenschutzmittel u.a. Umweltgifte. Die Forschungslage zu Oxidativem Zellstress weist vielfältige Auswirkungen nach. Der Review von Reuter et al. (2011): “Oxidative stress, inflammation, and cancer: How are they linked?”, eine Aufarbeitung von 313 Arbeiten, nennt als belegte Auswirkungen: Akutes Atemnotsyndrom, Altern, Alzheimer, Arteriosklerose, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Entzündungen, entzündliche Gelenkerkrankungen, neurologische Erkrankungen, Adipositas, Parkinson, Lungenfibrose , Rheumatische Arthritis, Gefäßkrankheit (S.37) und fasst zusammen:
“Insgesamt deuten die bisherigen Beobachtungen darauf hin, dass oxidativer Stress, chronische Entzündungen und Krebs eng miteinander verbunden sind” (Abstract)
Simone Reuter, Subash C. Gupta, Madan M. Chaturvedi, Bharat B. Aggarwal (2011): Oxidative stress, inflammation, and cancer: How are they linked? Free Radic Biol Med. 2010 December 1; 49(11): 1603–1616. doi:10.1016/j. freeradbiomed.2010.09.006.
Siehe dazu auch:
Marian Valko, Dieter Leibfritz, Jan Moncol, Mark T.D. Cronin, Milan Mazur, Joshua Telser (2007): Free radicals and antioxidants in normal physiological functions and human disease, In: Int J Biochem Cell Biol. 2007;39(1):44-84. Epub 2006 Aug 4:
“Overproduction of ROS, most frequently either by excessive stimulation of NAD(P)H by cytokines, or by the mitochondrial electron transport chain and xanthine oxidase result in oxidative stress. Oxidative stress is a deleterious process that can be an important mediator of damage to cell structures and consequently various disease states and ageing.” (S. 77)
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