von gigaherz.ch vom 19.12.2022
Dass die Mobilfunkbetreiber und ihre Helfer auf den Bundesämtern ihren funktechnisch ahnungslosen politischen Vorgesetzten und ebenso ahnungslosen Gerichtsinstanzen jeden nur erdenklichen Unfug auftischen können, wissen wir seit spätestens der Einführung des unsäglichen Korrekturfaktors vor Jahresfrist.
Siehe https://www.gigaherz.ch/5g-bundesrat-legalisiert-volksbeschiss/
Dass sie jetzt aber noch die Dreistigkeit besitzen, dem Bundesrat eine Gebrauchsanweisung zur Überlistung der Kontrollfunktionen über die Strahlenbelastung zu diktieren, nimmt eine ganz neue Dimension an.
Gemäss Mitteilung im Bundesblatt vom 15.Dezember soll der seit Jahren praktizierte Unfug mit dem sogenannten Qualitätssicherungssystem jetzt noch Rechtskraft erhalten, indem dieser in einem Zusatzartikel 11a in der Verordnung über nichtionisierende Strahlung festgeschrieben wird.
Die auf einem Antennenmast installierten Sendeantennen können in allen Fällen weitaus mehr leisten als in den Baugesuchen, im Standortdatenblatt, Zusatzblatt 2, von den Mobilfunkbetreibern deklariert wird. Das beträgt meistens das 10-Fache, kann aber bei 5G auch bis zum 1000-Fachen gehen.
Massgebend sind immer die Herstellerangaben und keinesfalls die im Zusatzblatt 2 deklarierten Werte der Baugesuchsteller.
Untaugliches Sicherheitssystem
Dafür, dass die im Zusatzblatt 2 angegebenen Sendeleistungen, fernsteuerbaren vertikalen Senderichtungen (Tilt), Korrekturfaktoren, Leistungsbegrenzungen und Antennendiagramme nicht übersteuert werden können, soll angeblich ein in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber eingebautes, sogenanntes «Qualitätssicherungssystem» sorgen.
Da die Einstellungen zu diesen Parametern ausschliesslich nur in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber mittels Fernüberwachung einsehbar sind, auf welche weder kantonale noch eidgenössische Vollzugsbehörden weder Einsicht, geschweige denn Zugriff haben, ist ein gesicherter Betrieb gar nicht möglich.
Der im Bundesgerichtsurteil 1C_97/2018 – E8, vom 3.September 2019 geforderte ununterbrochene Datenfluss von der Antenne vor Ort bis in das kantonale Umweltamt, bleibt unweigerlich in den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber stecken. Was von da aus mittels eines 14-täglichen Formulars an Änderungen und Fehlermeldungen freiwillig an die kantonalen Umweltämter weitergegeben wird, bleibt völlig in der Eigenverantwortung der Betreiber und hat mit einem ununterbrochenen Datenfluss von der Senderantenne bis zum Amt für Umwelt absolut nichts zu tun.
Dass die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung allein von einem Formular abhängt, welches die Mobilfunkbetreiber alle 2 Wochen selber ausfüllen und an das BAKOM (Bundesamt für Kommunikation) senden, wollten bisher sämtliche Gerichtsinstanzen, bis hinauf ans Bundesgericht, nicht wahrhaben.
Und gewisse «Qualitätsjournalisten» sprachen gar von Schwurblern und ihren Verschwörungstheorien.
Neues Beweismaterial
Dazu, dass kantonale und städtische Vollzugsstellen keinerlei Zugriff auf die in den Steuerzentralen gefahrenen Parameter haben, gibt es nun neues Beweismaterial: Es ist dies das Protokoll des Treffens der Spitzen des BAFU mit Delegierten der Schutzorganisationen vom 31.März 2022. Anlässlich welchem sich das BAFU zum Stand der Qualitätssicherungssysteme wie folgt äusserte, Zitat: «Die kantonalen Vollzugsbehörden haben zwar keinen direkten online-Zugriff auf die QS-Systeme, in der Praxis wenden sie aber verschiedene Methoden zur Überprüfung an.
a) Einige Vollzugsbehörden kontrollierten direkt beim Betreiber am PC (Stichprobenkontrolle)
b) Andere kontrollieren Daten wie die tatsächlich eingestellte maximale Sendeleistung über die BAKOM-Antennendatenbank, auf welche sie online-Zugriff haben und in welcher diese Daten alle 14 Tage aktualisiert werden.
c) Andere Vollzugsstellen verlangen jeweils Bildschirmausdrucke (Printscreens) von den eingestellten Parametern aus den Steuerzentralen der Mobilfunkbetreiber.» Ende Zitat.
Unser Kommentar zu a)
So geht es in der Mehrzahl der Kantone: Die kantonale Fachstelle Immissionsschutz des Amtes für Umwelt vereinbart mit dem NIS-Verantwortlichen des Mobilfunkbetreibers einen Termin in dessen Büro. Unangemeldet geht da schon gar nichts. Ein Zugriffsberechtigter des Mobilfunkbetreibers holt dann die vom kantonalen Vollzugsbeamten gewünschten Daten auf den Bildschirm. Ob das die richtigen sind, kann der Vollzugsbeamte nicht feststellen, er muss es einfach glauben. Nach unseren Informationen finden solche Treffen nicht fleissiger als alle 2 Jahre statt.
Unser Kommentar zu b)
Die Datenbank des BAKOM hat keinerlei automatisierte Verbindung mit den Steuerzentralen der Betreiber. Die BAKOM-Datenbank enthält lediglich die von den Betreibern anlässlich der Inbetriebnahme eines Antennenstandortes eigenverantwortlich hinterlegten Daten, zuzüglich freiwillig gemeldeter Mutationen.
Unser Kommentar zu c)
Via e-mail übermittelte Bildschirmausdrucke, hergestellt von den Betreibern. Völlig unglaubwürdig!
Fazit: Das Ganze hat mit einer Sicherheitseinrichtung endgültig nichts mehr zu tun. Die Wahrscheinlichkeit, beim Mogeln erwischt zu werden beträgt für die Mobilfunkbetreiber ca. 1 zu einer Million. Strafbestimmungen gibt es keine.
Nachdem es nun in der Schweiz Gemeinderäte gibt, die diesen faulen Zauber als höchst ungenügend zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger betrachten und aus diesem Grund Baubewilligungen für Mobilfunk-Sendeanlagen verweigern, glauben doch die liebe Frau Sommaruga und ihre Bundesratskollegen und Kolleginnen tatsächlich, das würde sich bessern, wenn sie das Ganze noch in einem Zusatzartikel 11a in die Verordnung des Bundesrates über nichtionisierende Strahlung hineinschreiben würden.
Dass man den Bundesräten und Bundesrätinnen, dabei lediglich den völlig ungenügenden, geradezu lächerlichen Status quo untergejubelt hat, können diese ja in Folge von fehlendem Fachwissen gar nicht erfassen.
Oder glaubt unsere Landesregierung wirklich, mit der im Zusatzartikel 11a in der NISV über die zusätzliche Meldepflicht der Inhaber von Sendeanlagen, das Problem aus der Welt schaffen zu können? Das wäre dann ja wohl reichlich naiv.
Sehen Sie nachfolgend selbst wie diese kuriose «Sicherheitseinrichtung» funktionieren soll:
NISV neuer Artikel 11a:
Absatz 1) Die Inhaber einer Sendeanlage melden dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM):
a) die vom BAKOM in Absprache mit den Vollzugsbehörden bezeichneten Daten aus einem neuen oder aktualisierten Standortdatenblatt…..bis 14Tage nach Abschluss des massgebenden Verfahrens, spätestens jedoch bis zur Inbetriebnahme.
b) Das Datum an dem die Anlage, basierend auf dem neuen oder aktualisierten Standortdatenblatt in Betrieb genommen wird.
c) Die aktuellen Betriebsdaten, alle 14 Tage
Absatz 3) Das BAKOM erfasst die Daten nach Absatz 1 in einem Informationssystem. Es gewährt den mit dem Vollzug dieser Verordnug betrauten Behörden und den Meldepflichtigen Personen Zugang zum Informationssystem.
Von diesen paar lapidaren Bestimmungen hängt also die Sicherheit von 8 Millionen Menschen ab!
Von einer «Postkarte» auf welcher die Mobilfunkbetreiber dem BAKOM alle 14Tage mitteilen sollten, ob sie an einer ihrer 22’000 Sendeanlagen etwas geändert haben, oder ob eine neue Anlage mit welchen Sendeparametern in Betrieb genommen wurde. Und ob Letzteres noch mit dem von den Baubehörden bewilligten Standortdatenblatt übereinstimmt.
Lausiger geht es wohl kaum noch!
Auch wenn solch ein Unfug, welcher übrigens bereits der bisherigen Praxis entspricht, jetzt noch ins Gesetz hineingeschrieben wird, wird dieser dadurch überhaupt nicht brauchbarer.
Wer sich den gesamten Vernehmlassungstext zu Gemüte führen möchte, bitte hier entlang: https://www.gigaherz.ch/wp-content/uploads/2022/12/Vernehmlassungstext-zum-Qualitaetssicherungssystem.pdf