Das unsichtbare Defizit – Warum modernes Licht uns Energie raubt

Wir reden über CO₂, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Beleuchtungsnormen. Aber kaum jemand spricht über das, was unsichtbar fehlt: das Infrarotlicht – jener wärmende, tiefrote Anteil des Sonnenspektrums, der seit Millionen Jahren unseren Stoffwechsel, unsere Haut und unsere Sinne begleitet.

Ein Spektrum auf Diät

Natürliches Sonnenlicht ist ein kontinuierliches Energiespektrum von rund 280 bis 2 500 Nanometer – ein Zusammenspiel aus ultraviolettem Anreiz, sichtbarer Information und tiefroter Wärmestrahlung. Rund 45 % der Sonnenenergie liegen jenseits des sichtbaren Bereichs, im Infrarot.

Vor allem das nahe Infrarot (IR-A, 780–1 070 nm) aktiviert in den Mitochondrien die Cytochrom-c-Oxidase – jenen Enzymkomplex, der die ATP-Produktion steuert. Es erhöht die Zellenergie und fördert die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO), einen zentralen Botenstoff für Gefässerweiterung, Durchblutung und Regeneration. IR-A-Strahlung dringt je nach Hauttyp und Wellenlänge mehrere Millimeter tief ins Gewebe ein und wirkt dort wie ein stiller Taktgeber für die Zellen.

Wie die Technik das Spektrum verkürzt

Mit der Einführung der LED-Technologie wurde Licht effizient – aber auch biologisch verarmt. LEDs wandeln elektrische Energie fast ausschliesslich in sichtbares Licht um. Alles darüber hinaus – also Wärmestrahlung oder Infrarot – wird technisch ausgefiltert.

Was für die Energieetikette ideal ist, bedeutet aus biologischer Sicht ein amputiertes Lichtspektrum. Frühere Glühlampen oder Halogenleuchten gaben zwar mehr Wärme ab, lieferten dafür ein kontinuierliches Spektrum mit reichlich Rot- und Infrarotanteilen. Heute liefern LED-Leuchten „kalte Photonen“ – hell, aber körperlos.

Der CRI-Wert (Colour Rendering Index), oft als Qualitätsmerkmal genannt, misst nur die Farbtreue innerhalb des sichtbaren Bereichs. Ein Licht kann also CRI 98 haben und trotzdem kein einziges Infrarot-Photon abgeben.

Das zweite Problem moderner LED: unsichtbares Flimmern

Neben dem fehlenden Infrarotanteil hat die LED-Technologie ein weiteres, oft übersehenes biologisches Defizit: Flimmern durch Pulsweitenmodulation (PWM).

Da LEDs das Licht nicht kontinuierlich emittieren, sondern mit sehr hoher Frequenz an- und ausgeschaltet werden, wird die Helligkeit elektronisch über Impulssteuerung geregelt. Die meisten LED-Leuchten – auch viele Markenprodukte – verwenden PWM, weil sie billig, effizient und kompakt ist.

Das Problem: Diese Helligkeitsschwankungen sind für das Auge meist unsichtbar, wirken aber trotzdem auf Netzhaut, Nervensystem und Gehirn. Typische PWM-Frequenzen liegen zwischen 100 Hz und 4 kHz – weit unterhalb der biologischen Neutralzone. Das Licht flackert ständig, und unser visueller Kortex muss diese Mikroimpulse ununterbrochen ausgleichen.

Die Folgen können subtil, aber messbar sein:

  • Kopfdruck, Augenermüdung, Konzentrationsschwäche, Nervosität oder Schlafstörungen.
  • Besonders empfindlich reagieren Kinder, Migränepatienten und Personen mit neurologischen Belastungen.
  • Studien der IEEE und CIE zeigen, dass selbst PWM-Frequenzen über 1 kHz bei sensiblen Personen noch physiologisch wahrnehmbar sind – als Stressreiz, nicht als sichtbares Flimmern.

Nur wenige LED-Systeme – etwa linear geregelte Profi-Leuchten ohne PWM-Taktung – vermeiden das Flimmern tatsächlich. Selbst Treiber mit nominell über 20 kHz Schaltfrequenz sind nicht automatisch flimmerfrei: Sie erzeugen oft unsichtbare, aber messbare Amplituden- und Hüllkurvenfluktuationen im Bereich unter 1 kHz, die über Auge und Nervensystem wahrgenommen werden können.

Messungen mit Flickermetern zeigen, dass auch viele sogenannte „flicker-free“ Leuchten Peak-to-Peak-Schwankungen von über 10 % aufweisen – ein Wert, den die IEEE 1789-2015 bereits als potenziell kritisch einstuft. Wirklich ruhiges, biologisch stabiles Licht entsteht nur, wenn der LED-Strom kontinuierlich und ohne Pulsweitenmodulation geregelt wird – etwa über lineare Konstantstromquellen oder DC-Netzteile mit kapazitiver Glättung.

Gebäude als Infrarot-Filter

Auch unsere Architektur hat sich gegen das unsichtbare Spektrum gestellt. Dreifachverglasung, Low-E-Beschichtungen und selektive Wärmeschutzschichten reflektieren 60–90 % des infraroten Spektrums – insbesondere die biologisch relevanten NIR-Anteile. So bleibt die Wärme im Winter drinnen, aber das natürliche Wärmespektrum bleibt draussen.

Wir leben damit in Räumen, die optisch hell, aber biologisch unterbelichtet sind. Fenster lassen zwar sichtbares Licht durch, blockieren aber den grössten Teil der wärmenden Infrarotstrahlung – das Licht bleibt optisch hell, aber biologisch flach.

Die physiologischen Folgen – der stille Entzug

Fehlt Infrarot-A, fehlt der Stimulus für die mitochondriale Atmungskette. Studien zeigen, dass IR-Bestrahlung die ATP-Produktion um bis zu 30 % erhöhen kann. Umgekehrt bedeutet chronischer IR-Mangel: verminderte Zellenergie, verlangsamter Stoffwechsel, geringere Regeneration.

Infrarot fördert milde Tiefenwärme und öffnet Gefässe. Ohne diese Reize bleibt der Körper in permanenter Vasokonstriktion – kalte Hände, kalte Füsse, nervöse Unruhe. Büros und Klassenzimmer werden so zu „kalten Räumen bei 22 °C“ – normgerecht hell, aber physiologisch frostig.

Das durch IR ausgelöste NO-Signal wirkt entspannend auf Gefässe und Nerven. Fehlt es, steigt der oxidative Stress. Blauhaltiges LED-Licht ohne ausgleichendes Rot-/IR-Spektrum aktiviert den Sympathikus – viele Menschen fühlen sich „licht-gestresst“, ohne zu wissen, warum.

Das Auge wurde evolutionär in einem Rot- und IR-reichen Umfeld entwickelt. Fehlt dieser Ausgleich, nimmt die Belastung durch kurzwelliges Blau zu. Studien zeigen, dass NIR-Licht die Retina reparieren und Energieverlust in Photorezeptoren ausgleichen kann. LED-Licht ohne IR wirkt dagegen oxidativ und beschleunigt Alterungsprozesse der Netzhaut.

Natürliches Licht enthält stets Wärme. Dieses Wärmesignal beeinflusst auch den zirkadianen Rhythmus – nicht nur über das Auge, sondern über Haut, Blutgefässe und Hypothalamus. Künstliches, „kaltes“ Licht täuscht dem Körper Tag vor, ohne die thermische Information des Tages. Die Folge: gestörte Einschlafphasen, unruhiger Schlaf, erschöpfte Rhythmen.

Glühlampe oder Halogen – was ist biologisch sinnvoller?

Physikalisch erzeugen beide Lichtquellen ihr Licht durch einen glühenden Wolframdraht und liefern ein kontinuierliches Spektrum, das dem Sonnenlicht ähnelt. Es gibt jedoch Unterschiede, die für die biologische Wirkung entscheidend sind.

Glühlampen emittieren vor allem IR-B und IR-C – sie erzeugen eine angenehme Oberflächenwärme, während Halogenlampen durch den höheren IR-A-Anteil auch leicht in die Tiefe wirken.

EigenschaftKlassische GlühlampeHalogenlampe
Temperatur des Glühdrahtsca. 2700 Kca. 3 000–3200 K
Lichtfarbewarmweiss (2700 K)warmweiss (3000 K)
Lichtausbeuteetwas geringerca. 15–25 % effizienter
Anteil sichtbares Lichtca. 10–12 %ca. 15–20 %
Anteil Infrarot (gesamt)ca. 85–90 %ca. 75–80 %
Schwerpunkt IR-SpektrumIR-B/C vor allem Oberflächenwärme („Behaglichkeit“)IR-A/B/C spürbare Wärme + biologisch wirksame Tiefe
Strahlungsmaximum~ 1070 nm~ 900–950 nm
Farbwiedergabe (CRI)100 (ohne spektrale Lücken)100 (ohne spektrale Lücken)

Glühlampen geben besonders viel tiefes Infrarot ab – das erzeugt spürbare Wärmestrahlung und ein natürliches Wohlgefühl im Raum. Ideal für Abendzonen, Schlaf- und Ruheräume. Halogenlampen glühen heisser, verschieben ihr Spektrum leicht Richtung sichtbar und IR-A – der biologisch aktivste Bereich, der Zellenergie und Mikrozirkulation anregt. Perfekt für Wohn- oder Arbeitsbereiche, in denen Lichtenergie und Wachheit gewünscht sind.

Glühlampen liefern Wärme für den Körper – Halogenlampen Energie für die Zellen. Zusammen schaffen sie das, was modernes LED-Licht verloren hat: ein lebendiges, vollständiges Spektrum.

Welches Licht haben Sie? – Welches Licht hätten Sie gerne?

Was Familien und Planer jetzt tun können

Solange Normen und Effizienzrichtlinien das Infrarot ignorieren, bleibt Eigenverantwortung der einzige Ausweg. Jede Familie, jede Schule kann mit einfachen Mitteln wieder etwas natürliches Spektrum ins Haus holen. Eine einzige 40–60 W-Glühlampe oder ein kleiner Halogenstrahler erhöht bereits den IR-Anteil eines Raums erheblich. Das kostet wenige Watt, wirkt aber wie eine spektrale Erdung – besonders sinnvoll am Abend.

LED-Leuchten können für Effizienz sorgen, ergänzt durch eine IR-aktive Wärmequelle oder IR-A-Emitter (780–950 nm). Wann immer möglich: direktes Tageslicht auf Haut und Augen (indirekt, ohne Brille). Jede Minute draussen ersetzt Stunden unter künstlichem Licht.

Bei Neubauten oder Sanierungen sollte der Transmissionsgrad im 700–1000 nm Bereich geprüft werden – es gibt Low-E-Verglasungen mit höherer NIR-Durchlässigkeit. Diese Massnahmen sind keine Nostalgie, sondern physikalisch nachvollziehbare Korrekturen einer kulturellen Fehlentwicklung.

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Kaufempfehlung und Praxis-Hinweis

Seit dem EU-weiten Glühlampenverbot (2009/2012) und Halogenlampenverbot (2018/2020) sind echte Glühlampen im regulären Handel kaum mehr erhältlich. Was bleibt, sind Restbestände, Speziallampen und alternative Bezugswege ausserhalb der Standarddistribution.

Wer sucht, der findet – Restposten und Sonder-Editionen

Auch wenn die klassische Glühlampe offiziell vom Markt verschwunden ist: Bei uns gibt es noch begrenzte Restbestände – originalverpackt, geprüft und in hochwertiger Qualität. Diese Lampen dürfen in der Schweiz weiterhin verwendet und verkauft werden, solange Vorrat besteht.

«Es hät solangs hät.»

Glühlampen & Halogen-Glühlampenhttps://urs-raschle.ch/produkt-kategorie/gesundes-licht/licht-hilfsmittel/

Diese Lampen sind keine Retro-LEDs, sondern echte thermische Lichtquellen mit kontinuierlichem Spektrum. Sie geben – im Gegensatz zu modernen LED-Leuchtmitteln – bis zu 90 % Infrarotanteil ab und erzeugen damit natürliches, biologisch aktives Licht. Für Wohn-, Schlaf- und Therapieräume eignen sie sich hervorragend als Ergänzung zu LED-Beleuchtung oder als abendliche Lichtquelle zur Regeneration.

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Der nächste blinde Fleck der Energiewende

Unsere Energiepolitik misst Licht in Lumen und Watt, nicht in biologischer Qualität. Solange Beleuchtungsnormen (EN 12464-1, Minergie, WELL Building Standard) den Infrarotanteil und die Flimmerfreiheit ausklammern, optimieren wir weiter Räume für Effizienz – nicht für Menschen. Wir sparen Strom und verlieren gleichzeitig das, was Licht zum Lebenssignal macht.

Fazit

Natürliches Licht ist mehr als Helligkeit – es ist elektromagnetische Nahrung. Wenn wir das Spektrum verkürzen, verändern wir mehr als nur die Beleuchtung. Wir verändern die biologische Kommunikation zwischen Umwelt und Organismus. Vielleicht sollten wir in Zukunft nicht nur fragen, wie viel Strom eine Lampe verbraucht, sondern wie viel Leben sie abgibt.


Quellen und weiterführende Literatur

1. Effects of Near-Infrared Light on Well-Being and Health in Human Subjects with Mild Sleep-Related Complaints | Biology (2023)
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9855677/
→ 850 nm NIR-Belichtung verbesserte Schlafqualität, Stimmung und Herzfrequenzvariabilität bei Personen mit Schlafstörungen. Belegt direkte physiologische Reaktion auf IR-A-Licht.

2. Effects of Near-Infrared Radiation in Ambient Lighting on Cognitive Performance, Emotion, and Heart Rate Variability | Physiology & Behavior (2024)
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0272494424002573
→ Innenraum-Versuch mit 875 nm / 960 nm-NIR-Ergänzung; höhere Konzentrationsleistung, verbesserte Stimmung, stabilere HRV. Belegt Nutzen von NIR-Anteil in Raumbeleuchtung.

3. Photobiomodulation of Cytochrome c Oxidase by Chronic Near-Infrared Light | Frontiers in Neuroscience (2022)
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnins.2022.818005/full
→ Zeigt, wie IR-A-Photonen mitochondriales Enzym CCO aktivieren und ATP-Produktion steigern – zentrale biologische Grundlage.

4. Near-Infrared Light Reverses Age-Related Visual Decline in Humans | Frontiers in Aging Neuroscience (2021)
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnagi.2021.735398/full
→ 670 nm-Licht verbesserte Sehleistung bei älteren Personen; Rückbildung retinaler Energie-Defizite durch IR-A.

5. Low-Intensity Light Therapy: Exploring the Role of Redox Mechanisms | Photomedicine and Laser Surgery (2014)
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2996814/
→ Übersichtsarbeit: NIR-Licht normalisiert Zellredoxstatus, reduziert oxidativen Stress, fördert mitochondriale Aktivität.

6. The Role of Near-Infrared Light in Mitochondrial Bioenergetics and Neuroprotection | Journal of Photochemistry and Photobiology B (2023)
https://doi.org/10.1016/j.jphotobiol.2023.112674
→ NIR (700–1 000 nm) verbessert neuronale Energieversorgung und schützt Zellen vor oxidativem Stress.

7. Lighting Spectrum and Mitochondrial Function: The Missing Near-Infrared Component | Bioelectromagnetics (2022)
https://doi.org/10.1002/bem.22388
→ Diskutiert explizit, dass moderne LED-Beleuchtung fast kein NIR enthält und dadurch mitochondriale Stimulation im Alltag fehlt. Exakt dein Thema.

8. Biological Effects of Blue-Enriched and NIR-Deficient LED Lighting on Humans | Environmental Health Perspectives (2021)
https://doi.org/10.1289/EHP7654
→ Vergleichsstudie LED (ohne IR) vs. Vollspektrum (inkl. IR): erhöhte Stressparameter und niedrigere Melatoninwerte bei IR-freiem Licht.

9. Brain Photobiomodulation Therapy: A Narrative Review | Photobiomodulation, Photomedicine and Laser Surgery (2020)
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6041198/
→ Review zu NIR-Licht, Neuroregeneration und Energiehaushalt; Grundlage vieler neuen PBM-Studien.

10. Wunsch A. (2021): Lichtbiologie – Warum das natürliche Spektrum unersetzlich ist | Vortrag & Publikationen Dr. Alexander Wunsch
https://www.dr-wunsch.com/publikationen/
→ Umfassende deutschsprachige Übersicht über fehlendes IR-Licht in LED-Systemen, spektrale Balance und biologische Lichtwirkungen.


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