Adaptive 5G-Antennen: Bundesgericht pfeift Bundesrat zurück

von Schutz vor Strahlung 29.05.2023 

Erfolg: Rasche Einführung von 5G gescheitert

Der Bundesrat beschloss im Dezember 2021, dass die neuen adaptiven 5G-Antennen ab Januar 2022 mit bis zu zehnfacher Leistung ohne weitere Baubewilligung strahlen dürfen. Der Aufschrei in der Bevölkerung war gross – viele Einsprecherinnen und Einsprecher fühlten sich hintergangen, weil sie ein solches Vorgehen befürchtet hatten, jedoch belächelt wurden. Mehrere Verwaltungsgerichte stellten sich quer und entschieden: Jede Leistungserhöhung muss zuerst in einem ordentlichen Baubewilligungsverfahren geprüft werden. Das Bundesgericht bestätigte einen entsprechenden Entscheid. Da Bundesgerichtsentscheide in der ganzen Schweiz gelten, ist diese Frage jetzt für alle Kantone geklärt. Der erste Schritt im Kampf gegen das gesundheitsschädliche 5G ist geschafft! Der Verein Schutz vor Strahlung ist glücklich, dass nun die Leistung zahlreicher Antennen wieder reduziert werden muss.

Das Raumplanungsgesetz bestimmt, was baubewilligungspflichtig ist

Die «Hierarchie» in der Gesetzgebung der Schweiz ist klar: Über die Bundesverfassung bestimmt das Volk, Gesetze werden durch das Parlament beschlossen. Weil auch Gesetze meist sehr allgemein formuliert sind, erlässt der Bundesrat Verordnungen, die unsere Gesetze konkretisieren. Diese Ausführungsbestimmungen müssen jedoch streng im Rahmen der Gesetze bleiben, denn das Volk kann kein Referendum gegen Verordnungen ergreifen. Das Raumplanungsgesetz hält fest, dass grundsätzlich alle Bauten und Anlagen sowie deren Änderungen einer Baubewilligung unterliegen, wenn sie von aussen sichtbar erheblich verändert werden sollen, oder die Umwelt (zusätzlich) belasten können (Art. 22 RPG, BGE 113 Ib 314 E. 2b S. 315 f.). Je nach Kanton sind Ausnahmen nur für Bagatellen und zudem sehr selten möglich, beispielsweise für Kleinstbauten wie Gewächshäuschen, Satellitenschüsseln, niedrige Zäune und Stützmauern, Malerarbeiten und ähnliches. Es gilt aber: Haben Öffentlichkeit oder Nachbarschaft ein Interesse an einer vorgängigen Kontrolle des Bauvorhabens und somit an einem Baubewilligungsverfahren, muss ein solches zwingend durchgeführt werden. Der Bundesrat darf keine Ausnahmen festlegen.

Die ursprünglich vorgesehenen Methoden zur schnellen 5G-Einführung

Um 5G auf den bereits bestehenden Antennen rasch einzuführen, wählten die Mobilfunkbetreiber mehrere Varianten. Oberstes Ziel war die Einführung ohne Baubewilligung, das heisst ohne Einspracherecht der Bevölkerung. Die Möglichkeiten reichten von einem Software-Update an der Antenne (Variante A) über einen Umbau auf konventionelle oder adaptive 5G-Antennen (Varianten B und C) bis zu einer Aufschaltung des Korrekturfaktors auf eine bestehende adaptive Antenne (Variante D). Mit der Aktivierung des Korrekturfaktors überträgt die Antenne viel mehr Daten, jedoch kommt es zu regelmässigen, starken Überschreitungen der Grenzwerte in der näheren Umgebung. Für viele dieser Umbauten hatten bisher die Betreiber keine Baugesuche gestellt, sondern einfach umgebaut. Viele Anwohner und der Verein Schutz vor Strahlung sind der Ansicht, dass alle Umbauten baubewilligungspflichtig gewesen wären. Am Ende des Artikels finden Sie einen detaillierten Überblick über alle Varianten.

Der Bundesrat sah in seinem Entscheid vom 17. Dezember 2021 vor, dass die Anwendung des Korrekturfaktors keine Änderung der Anlage darstelle und erklärte damit offiziell, dass die Variante D keiner Baubewilligung bedürfe. Es müsse nur noch ein aktualisiertes Formular eingereicht werden, schreibt der Bundesrat in seiner Medienmitteilung. Damit wollte er die Einführung von 5G beschleunigen. Er hatte jedoch übersehen, dass die Anwendung des Korrekturfaktors zu einer stärkeren Belastung der Umwelt führt und damit ein neues Baugesuch mit Einsprachemöglichkeit eingereicht werden muss. Dies aus dem Grund, weil der Bundesrat mit einer Verordnung immer innerhalb des Raumplanungsgesetzes bleiben muss. Erfreulicherweise pfeift das Bundesgericht nun den Bundesrat zurück und bestätigt die Baubewilligungspflicht für die Aktivierung des Korrekturfaktors! (BGer 1C_100/2021)

Aufschaltung des Korrekturfaktors illegal

In Steffisburg im Kanton Bern wollte die Mobilfunkbetreiberin sich die Antenne ohne Korrekturfaktor bewilligen zu lassen, um später ohne weiteres Baugesuch den Korrekturfaktor aufzuschalten. Ab diesem Zeitpunkt würden die Grenzwerte regelmässig massiv überschritten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern liess dieses «Buebetrickli» nicht durchgehen. Es schreibt unter dem Punkt 4.8: «Eine solche Leistungserhöhung könnte allerdings nur in einem ordentlichen Verfahren mit entsprechenden Einsprachemöglichkeiten bewilligt werden und nicht – wie die Beschwerdeführenden meinen – in einem sog. Bagatellverfahren. […] Ob die befürchtete Leistungserhöhung zulässig wäre, ist folglich nicht im vorliegenden, sondern gegebenenfalls in einem späteren Verfahren zu klären.» (100.2020.27U)

Das Bundesgericht bestätigt diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts, es sei an diesem Vorgehen nichts auszusetzen. Was das Bundesgericht entscheidet, gilt für die ganze Schweiz, der Entscheid betrifft somit sämtliche Baugesuche für adaptive 5G-Antennen, die zwischen dem Jahre 2018 und April 2021 eingingen. Bei ihnen wurde ein Baugesuch für einen Betrieb ohne Korrekturfaktor gestellt. Sie alle müssen das Baubewilligungsverfahren nochmals durchlaufen, sollten die Mobilfunkbetreiber einen Korrekturfaktor anwenden wollen. Es wäre illegal, den Korrekturfaktor ohne Baubewilligung anzuwenden.

Der Kanton St. Gallen sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich handelten vorausschauend und untersagte bereits vor über einem Jahr die Anwendung des Korrekturfaktors. Besonders interessant: Die Betreiber hätten dagegen klagen können, zogen damit jedoch nicht vor Bundesgericht. Zudem bestätigte bereits im Jahr 2021 das im Auftrag der Kantone (BPUK) erstellte Rechtsgutachten, dass die Anwendung des Korrekturfaktors baubewilligungspflichtig sei. Der Bundesrat hätte es also bereits am 17. Dezember 2021 wissen müssen, dass sein Entscheid rechtswidrig ist.

Ultra-schnelle 5G-Einführung ist gescheitert!

Seit dem Bundesgerichtsentscheid Steffisburg hat der Verein Schutz vor Strahlung erfahren, dass zahlreiche Antennen den Korrekturfaktor anwenden. Im vergangenen Jahr akzeptierten einige Kantone die blosse Meldung der Aktivierung des Korrekturfaktors, ohne Baubewiligungsverfahren. Teilweise wurde die Aktivierung gar nicht erst gemeldet. Alle adaptiven 5G-Antennen müssen nun auf die bewilligte Leistung gedrosselt werden. Damit ist die ultra-schnelle Einführung von 5G an den Rechten der Bevölkerung gescheitert!

Zurzeit laufen zahlreiche Verfahren gegen Antennen-Umbauten der Varianten B und C. Auch hier erwarten wir von den Gerichten die Durchsetzung der Baubewilligungspflicht für alle Umbauten, welche die Umwelt stärker belasten als zuvor oder eine sichtbare Änderung an den Antennen zur Folge haben.

Die Bevölkerung ist darauf angewiesen, dass die Behörden rasch eingreifen und jeglichem illegalen Treiben ein Ende setzen. Der Verein Schutz vor Strahlung fordert die Regierungen der Kantone und die Gemeinden als Baupolizeibehörden auf, den Korrekturfaktor-Betrieb von adaptiven Antennen (Antennen mit einem Baugesuch vor dem April 2021) zu untersagen und die Einhaltung dieses Verbots strikte zu kontrollieren. Wir empfehlen Kantonen und Gemeinden dringend, in Zukunft die Einschätzung von eigens beauftragten Gutachtern und von den Gerichten zu beachten, um unnötigen Aufwand und Ärger zu vermeiden. Der Bundesrat scheint hingegen in Sachen 5G ein schlechter Ratgeber zu sein.

…und falls doch noch jemand Antennen mit Korrekturfaktor entdecken sollte (erkennbar an plötzlichen Grenzwertüberschreitungen rund um die Antenne), wäre dies ein Beweis dafür, dass die Selbstkontrolle mit dem Namen «Qualitätssicherungssystem» wirklich nicht funktioniert.

von Schutz vor Strahlung 29.05.2023 

Ein Kommentar

  1. Alles gut und recht doch wer kontrolliert die Einhaltung. Kantone und Gemeinden sind sowieso für die Mobilfunkbranche und wenig erpicht durch Unabhängige Kontrollen durchzuführen!

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