5G trifft auf Widerstand

Medienmitteilung: «Eine Aufstellung über die Stop-5G-Bewegung im zweiten Halbjahr 2019»

Veröffentlicht am  auf schutz-vor-strahlung.ch

Zürich, 22. November 2019  Immer mehr Menschen in der Schweiz werden direkt mit dem Thema 5G konfrontiert. Genauso schnell wie die 5G-Welle die Schweiz überrollt, so schnell wächst die Opposition. Der Widerstand erreicht eine nie dagewesene Grösse, zehntausende Personen erheben Einsprache. Diese Mitteilung schafft eine Übersicht über die Entwicklung der Bewegung gegen 5G im vergangenen halben Jahr.

Faktisches 5G-Moratorium mittels Einsprachen

Im Mai 2019 tat sich eine kleine Gruppe junger Mütter und Freiwilliger zusammen und beschloss, ihre Mitmenschen umfassend über 5G sowie neu geplante Antennen zu informieren. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass gegen 5G-Antennen Einsprache erhoben werden kann. So  wurden wir mit Anfragen und Bitten um Mithilfe überhäuft. Seit Sommer 2019 erfassen wir alle laufenden Einsprachen und haben auf der Website Schutz-vor-Strahlung.ch eine Wegleitung zum Vorgehen bei einer Einsprache erstellt. Zudem erfassen wir alle, die über neue Baugesuche informiert werden möchten, mit dem Antennenalarm.

Im Juni war es soweit: Das vom Bund und den meisten Kantonen schweizweit verweigerte 5G-Moratorium wurde dank der tatkräftigen Unterstützung aller Aktivistinnen und Aktivisten durch Einsprachen Realität! In den letzten fünf Monaten wurden mit über 500 Einsprachen 98% der Baugesuche blockiert. Zählt man die rund 100 Einsprechergruppen hinzu, die seit Ende 2018 von Gigaherz.ch bei ihren Einsprachen unterstützt wurden, stehen aktuell gegen 600 Bau-gesuche für 5G-Antennen still. Dahinter stehen insgesamt rund 50’000 Einsprecherinnen und Einsprecher. In vielen Gemeinden haben mehr als 100 Personen Einsprachen unterzeichnet, in Altdorf waren es gar 1600. Es zeichnet sich ab, dass die Einsprachewelle nicht abbrechen wird. Die Menschen informieren sich vermehrt über 5G. Sobald in ihrer Nähe eine adaptive 5G-Antenne geplant ist, organisieren sie sich und sammeln Unterschriften.

Entscheide

Auf den meisten Ämtern werden Bauentscheide innert zwei Monaten gefällt, bei Gesuchen für 5G-Mobilfunkanlagen sind hingegen bisher nur äusserst wenige Entscheide gefallen. Einige Verfahren wurden offiziell sistiert (Wohlen, Büren a. A., Urdorf, Oberwil bei Büren u.a.), mehrere Hundert inoffiziell. Einige Gesuche wurden abgelehnt (Matzingen, Hunzenschwil u.a.) und nur wenige bewilligt, bei denen wir von Anfang an dabei waren (Fislisbach, Luzern Grossmatte). Vielerorts gibt es punkto Handlungs- und Entscheidungsspielraum in den Gemeinden Unsicherheiten. Mit einem weiteren Rechtsgutachten wollen wir hier Klarheit schaffen. Viele Gemeinden warten mit einem Entscheid zu, da ein kommunales Moratorium nicht beschlossen werden darf.

Bagatelländerungen und Planungszonen

Vielerorts wurden bestehende 4G-Antennen ohne Baubewilligung mit adaptiven Antennen auf 5G aufgerüstet. In einigen Gemeinden stellten Betroffene ein Rechtsbegehren auf Rückbau und fordern ein ordentliches Baubewilligungsverfahren. Bereits wurden Antennen wieder rückgebaut (Arosa und Hägendorf). Einige Gemeinden haben die Mobilfunk-Netzplanung selbst in die Hand genommen und eine Planungszone angeordnet – das Mittel, um einen Baustopp für jegliche Antennen zu erwirken. In den zwei folgenden Jahren müssen dann Baureglement, Richtplan oder Zonenplan überarbeitet werden.

Petitionen und Initiativen

Ein weiteres Mittel, um in Gemeinden etwas zu bewegen, ist die Petition. Eine der ersten Petitionen war der bisher grösste Erfolg: Sie führte in Urdorf anfangs September zur Sistierung aller Baugesuche. In Biel verlangt ein offener Brief Antworten. Zudem verlangen die Unterzeichner, dass die Gemeinde 5G gar nicht einführen dürfe, da in Biel der Klimanotstand ausgerufen worden ist: Die Stadt dürfe keine neuen Bauten zulassen, die den Energieverbrauch massiv erhöhen würden. In einigen Gemeinden des nördlichen Aargaus und im Baselland sind Petitionen mit über 700 Unterschriften eingereicht worden. An anderen Orten werden Aktivisten zur Anhörung eingeladen – im Kanton Baselland sogar durch den Kanton, obwohl eine Petition auf Gemeindeebene eingereicht worden war. In weiteren Gemeinden wurden spezifische Vorstösse (Initiativen) eingereicht, so etwa in Thusis.

Positive Auswirkungen auf die Gemeinden

In vielen Gemeinden wurden – als Folge des wachsenden Widerstands – präventiv Infoanlässe durchgeführt, um die Bevölkerung von Anfang an mit einzubeziehen. Mehrfach haben Gemeindepräsidenten diese selber moderiert oder mitorganisiert – selbst wenn sie anfänglich für 5G eintraten. In Rüttenen SO wurde im Anschluss  an die Info-Veranstaltung eine Planungszone angeordnet, ohne dass die Seite der Gegner referiert hatte. In Langenbruck BL hat eine Einwohnerin Uli Weiner und den ASUT-Geschäftsführer eingeladen. Am Schluss der Veranstaltung meinte der Gemeindepräsident, er ziehe die Möglichkeit ernsthaft in Betracht, dass die Gemeinde ein 5G-freier Ort bleibe und sogar «weisse Zonen» geschaffen werden könnten.

Rechtslage

Allen kantonalen Umweltämtern wurde Anfangs Juli das Gutachten von Rechtsanwalt Michael Fretz zugestellt. Das Gutachten belegt die rechtswidrige Anpassung der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV), die der Bundesrat im April beschlossen hatte (in Kraft seit 1. Juni 2019). Diese ermöglicht eine Privilegierung adaptiver Antennen und damit eine uneinheitliche und fragwürdige Bewilligungspraxis der Kantone. Der juristische Eingriff bewirkt jedoch, dass in vielen Kantonen keine Bagatelländerungen mehr möglich sind, sondern stets das ordentliche Baubewilligungsverfahren Pflicht ist. Grundsätzlich müssen alle Instanzen mit ihren Entscheiden zuwarten, bis die Vollzugshilfe (Anleitung zum Berechnen der Strahlung) erscheint.

Grundlegende Haltung des Bundes

Zur Einführung von 5G stützt sich der Bundesrat auf seine Strategie «Digitale Schweiz», die von der Idee «kabelloser digitaler Datenversorgung» beherrscht wird. Sein Bestreben, die Grenzwerte für Mobilfunkanlagen auf Drängen der Betreiber zu erhöhen, wurde vom Ständerat in den Vorjahren zweimal gestoppt. Diesem Präjudiz darf sich der Bundesrat nicht widersetzen und die Grenzwerte eigenhändig heraufsetzen. Ende 2018 gab er einen Bericht über die «Bedürfnisse und Risiken von Mobilfunk» in Auftrag (Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» unter Leitung des Bundesamts für Umweltschutz  BAFU). Dieser soll bis Ende Jahr erscheinen. Die Vollzugsempfehlung für 5G-Antennen mit einer Anleitung für Prognose und Messung von deren Strahlung soll kurz danach verabschiedet werden. 

Wir sind gespannt: Enthält der BAFU-Bericht wohl mutige und verantwortungsbewusste Perspektiven? Er soll mehr Fragen als Antworten bringen, ist zu hören, und er befasse sich höchstens am Rande mit den gesundheitlichen Aspekten.

Abklärungen rund um 5G

Ungeachtet der fehlenden Grundlagen (Vollzugshilfe, Messverfahren etc.) wurde die Einführung von 5G massiv vorangetrieben. Die NISV wurde im April 2019 dahingehend geändert, dass adaptive Antennen nun einen Sonderstatus haben. Sie müssen die Grenzwerte nur noch im Sinne von «Mittelwerten» einhalten. In diesen Zeitraum fallen zahlreiche Baugesuche der Mobilfunkbetreiber. 

2019 wurden von drei Nationalräten/-innen in der Fragestunde 5G-kritische Fragen gestellt. Über alle Parteien hinweg haben zwölf von ihnen insgesamt 10 Interpellationen, zwei Motionen und ein Postulat eingereicht. Bundesrat, Mobilfunkbetreiber und Kantone drehen sich seither im Kreis. Weil das Ganze von Beginn weg als «beschlossene Sache» auf den Weg geschickt wurde, werden Argumente und Verantwortung nun hin und her und abgeschoben.

Das Schweigen des Bundes

Ein Brief des Vereins «Schutz vor Strahlung» an Bundesrätin Simonetta Sommaruga blieb bis heute unbeantwortet. Er betraf das «fake5G» (Über-Nacht-Umnutzung bisheriger 3G-Frequenzen), mit dem Swisscom die 90%-5G-Abdeckung bis Ende 2019 erreichen wollte. Aus Deutschland hat eine Gruppe von Aktivisten Anfang Oktober über Facebook aufgerufen, der Swisscom und dem UVEK aus aller Welt zu schreiben und sich über das «fake5G» zu beschweren. Dem sind Menschen in mehr als 10 Sprachen nachgekommen, die genaue Zahl lässt sich jedoch nicht ermitteln. Reaktionen seitens des Bundes gibt es keine. Überhaupt verhalten sich Bund und Bundesämter still, geben kaum Auskunft oder reagieren mit vorgefertigten Textblöcken.

Die Petition Klett

Am 18. Oktober 2019 hat Notburga Klett die Petition «Stoppt 5G in der Schweiz!» dem Medienvertreter des Bundesrats mit 40’000 Unterschriften überreicht. Sie fordert ein nationales 5G-Moratorium sowie Aufklärung über und Schutz vor Mobilfunk im Allgemeinen. Diese Petition wird im Parlament behandelt werden.

Informationen der Betreiber

An Infoveranstaltungen und Einsprache-Verhandlungen mussten die Betreiber über die Zukunft von 5G Auskunft gegeben. Swisscom nahm nach einer Infoveranstaltung auf unsere Fragen schriftlich Stellung. Sie rechne nach Erscheinen der Vollzugsempfehlung damit, dass bei adaptiven Antennen zur Berechnung des Grenzwerts eine zeitliche und räumliche Mittelung der Sendeleistung sowie eine Mittelung zwischen mehreren Senderichtungen erfolgen soll.

Am 1. Oktober 2019 hat Swisscom ihre 2.1 GHz-Frequenz von 3G auf 5G umgeschaltet («fake 5G»). Unsere Medienwarnung am Vortag wurde zwar nicht abgedruckt, wohl aber über die sozialen Medien verbreitet. Gemäss BAKOM sollen die ehemaligen 3G-Sender auf der Funksender-Karte inzwischen durch grüne 5G-Punkte ersetzt worden sein – ohne Unterscheidung zwischen den Kategorien «5Gwide» und «5Gfast», damit alles nach «5Gfast» aussieht. Merkwürdigerweise ist dies bis heute jedoch nicht geschehen. Die Swisscom hält dennoch weiterhin daran fest, bis Ende Jahr 90% der Bevölkerung mit 5G abzudecken. Dies würde sie nur mittels «fake 5G» erreichen. Denn heute sind gerade mal 3% aller rund 19’100 Mobilfunksender mit den adaptiven 5G-Antennen ausgerüstet.

Strategie der Betreiber

Nicht nur Bund und Bundesämter, auch Betreiber und ASUT, der Schweizer Verband der Telekommunikation, schweigen. Sie berufen sich auf die vom Bund vorgegebenen Grenzwerte und Verordnungen. Sie lassen höchstens verlauten, es sei nicht ihre Sache zu bestimmen, ob Mobilfunkstrahlung gefährlich sei oder nicht, solange die Grenzwerte eingehalten würden – die sie um ein Vielfaches erhöhen müssten, um 5G wie geplant realisieren zu können.

Weltweit verfolgen die Mobilfunkbetreiber die «Tempo-Strategie» und versuchen so, ihre Gegner zu schwächen und zum blossen Reagieren zu zwingen. Das aber funktioniert in der Schweiz nicht wie gewünscht: Ihr euphorisches Tempo bei der Einführung von 5G zeigt, dass die Mobilfunkbetreiber die Gesamtlage falsch eingeschätzt und juristisch zu wenig geprüft haben. Angesichts des einmaligen Widerstands in der Bevölkerung und der Professionalität ihrer Gegnerschaft bleibt ihnen nur noch der Versuch zu ignorieren und auszuweichen. Eine echte Diskussion lassen sie nicht zu, denn ihr Handeln ist intransparent und ihre Informationsstrategie ein Desaster – so wird z.B. die Gesamtnetzplanung nicht kommuniziert. Das fällt zunehmend negativ auf sie zurück, denn die Bevölkerung wird immer misstrauischer, durchschaut die Lockwerbung der Betreiber und treibt sie mit konkreten Fragen und Anliegen in die Enge. In diesem Punkt werden wir nicht locker lassen: Die gesamte Netzplanung mit all ihren Ausbauetappen, Komponenten, Begleittechnologien und dem realen Energieverbrauch muss bis auf die kommunale Ebene transparent sein.

Der Wandel der Medien

Bis im Frühjahr hatten die grossen Medienkonzerne mehrheitlich euphorisch über 5G berichtet. In einzelnen Artikeln zeigten sie sich zwar kritisch, aber offensichtlich hatten sie sich noch nicht mit Dimension und Komplexität des Themas befasst. Das änderte sich rasch, als die Einsprachen wie Pilze aus dem Boden schossen: Kommunaler Widerstand erhielt nun mediale Aufmerksamkeit. Das Rechtsgutachten von Michael Fretz, das Anfang Juli auf das rechtswidrige Vorgehen des Bundesrates bei der NISV-Anpassung verwies, machte die Brisanz der 5G-Kontroverse deutlich. Nun wurde auch im Radio und Fernsehen SRF berichtet. Unzählige Leserbriefe und Informationen aus der Bevölkerung überschwemmten die Journalistinnen und Journalisten, so dass sie zunehmend kritischere Fragen aufwarfen. Die meisten Medien thematisierten die September-Demo in Bern, während die Medienmitteilung über die «fake5G»-Antennen unterging. Über die Petition «Stoppt 5G in der Schweiz» wurde im Radio wie auch in diversen Printmedien berichtet. Nach den Wahlen und dem Grün-Rutsch im Parlament sind die Journalistinnen und Journalisten wieder offener für das 5G-Thema.

Vereine

Vereine wie Gigaherz.ch, Bürgerwelle Schweiz, der Dachverband Elektrosmog und andere bestehen zum Teil seit dreissig Jahren und kämpfen unentwegt um die Anerkennung des Gefahrenpotenzials von Mobilfunkstrahlung. Der Verein «Schutz vor Strahlung» ist seit 2018 aktiv. Zu Beginn vor allem im Raum Zürich tätig, setzt er sich inzwischen schweizweit für eine gute Kommunikation mit der Bevölkerung und den Medien ein. Auf seiner Website stehen u.A. Mustereinsprachen zur Verfügung. Er gibt Gemeinden und Vereinen Auskunft, berät Einzelpersonen und setzt sich konsequent für eine sachliche Diskussion über Funkstrahlung und deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt ein. Im Mai 2019 wurde der Verein «5G-Moratorium» gegründet mit dem Ziel, ein nationales 5G-Moratorium zu erwirken. Ein politisches Moratorium erschien zunächst aussichtslos. Doch wurde nun ein Weg gefunden, durch Motivieren und Unterstützen von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern bei Einsprachen, das nationale Moratorium indirekt doch zu realisieren – mit Erfolg: Das superschnelle 5G steht heute praktisch still. Im Sommer wurde der Verein «frequencia» als Konsumentenschutzorganisation gegründet. Dieser führte die September-Demo in Bern durch, gab Informationsmaterial heraus und plant eine Kampagne mit Hilfe professioneller Videos.

Alle Vereine müssen sich entsprechend den Fähigkeiten und Kapazitäten ihrer Aktivmitglieder organisieren; Koordination und rasche Ausführung der umfangreichen Arbeiten ist eine stete Herausforderung. Doch alle diese Vereine haben eine enorme Dynamik entwickelt, und der Widerstand gegen den ungehemmten Ausbau des Mobilfunk ist im Jahr 2019 stärker gewachsen als jemals zuvor.


Kontakt Verein «Schutz vor Strahlung»
Rebekka Meier, Leitung Baurechtsabteilung
rebekka.meier@schutz-vor-strahlung.ch, 032 652 61 61

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Abonniere unseren Newsletter

    Newsletter anfordern